Abmahnirrsinn abgemahnt (2)

Nach Abmahnung wegen fehlenden Impressum auf kino.to: Sächsisches Innenministerium reagiert nicht / Anwalt: Impressumspflicht gilt auch für Polizei / Lebhafte Diskussion zum Abmahn-Irrsinn angeregt.

In der vergangenen Woche mahnte die Kölner Medienrechtskanzlei Obladen Gaessler das sächsische Innenministerium ab: Nach der Sperrung der Raubkopie-Website kino.to hatten die Behörden dort eine Bekanntmachung platziert. Allerdings fehlt bis heute das nach Telemediengesetz und Rundfunkstaatsvertrag vorgeschriebene Impressum. Die Betreiber des Online-Kulturmagazins Cineastentreff.de hatten die Abmahnung veranlasst (siehe: Cineastentreff.de mahnt Land Sachsen ab) und dem sächsischen Innenministerium eine Frist bis zum 22. Juni gesetzt, um eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Diese Frist verstrich ergebnislos.

Nun folgt eine Anzeige wegen einer Ordnungswidrigkeit, die das fehlende Impressum darstellt. Rechtsanwalt Philipp Obladen aus der Medienrechtskanzlei Obladen Gaessler in Köln kommentiert: „Juristen mögen über die Begründetheit einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung streiten können. Unserer Ansicht nach steht aber fest, dass die Beamten des Landeskriminalamt oder wer auch immer für die Vorschaltseite auf kino.to verantwortlich war, ordnungswidrig gehandelt haben. Diese Ordnungswidrigkeit ist auch keine Kleinigkeit, da das Gesetz Bußgelder bis zu 50.000 Euro vorsieht. Es kann nicht sein, dass den Ermittlungsbehörden Instrumente wie die Vorratsdatenspeicherung an die Hand gegeben werden und Sicherheitspolitiker am Liebsten den gläsernen Internetuser hätten, die Polizei bei kino.to zugleich aber nicht Ross und Reiter benennt und sich hinter einem vagen Begriff wie „Die Kriminalpolizei“ versteckt.“

Deutschlandweit und auch in Österreich haben die Medien über den Fall berichtet; im Internet entsponnen sich in zahlreichen Blogs und Foren angeregte Diskussionen zum Thema; neben kritischen Stimmen gab es auch große Zustimmung. Bei einer nicht-repräsentativen Umfrage der „PC Games“ befanden rund drei Viertel der User die Abmahnung für gut. „Diese Entwicklung sehen wir positiv“, kommentiert Michael Babilinski, einer der Betreiber von Cineastentreff.de sowie Mitinitiator der Abmahnung sowie der nun folgenden Ordnungswidrigkeitsanzeige. „Aufgrund der schwammigen Rechtslage hat sich eine regelrechte Abmahnindustrie entwickelt; es gibt Anwälte, die sich darauf spezialisiert haben. Kleinste Fehler können für Webseitenbetreiber existenzbedrohend sein, eine wirklich rechtssichere Website zu erstellen, ist kaum möglich. Wie wir derzeit sehen, gelingt das nicht einmal den Behörden, von denen man erwarten sollte, dass sie ihre eigenen Gesetze kennen. Dass hierüber nun öffentlich debattiert wird, ist für uns bereits ein Erfolg.“

In der Zeitung „Welt Kompakt“ hatte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Sachsen die Abmahnung als „Unsinn“ bezeichnet. Babilinski dazu: „Scheinbar kann man in Sachsen nicht einmal eine Baustellenseite von einer Mitteilung unterscheiden.“

Zusätzlich zur Anzeigenerstattung wegen Ordnungswidrigkeit behalte man sich weitere Schritte vor, heißt es bei Cineastentreff. Auch eine Einstweilige Verfügung sei im Gespräch.

Kino.to: CineastenTreff erstattet Anzeige wegen Ordnungswidrigkeit